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Je suis Conradin

Mit dem Feuer auf die Journalisten eröffneten am 7. Januar 2015 zwei verwirrte Menschen eine Diskussion von einer Dimension, die sie sich nie hätten träumen lassen. Allerdings hatten die beiden bestimmt auch weder beabsichtigt noch geahnt, in welche Richtung diese Diskussion gehen würde. Das Thema ist nämlich kein geringeres als die Frage „wem gehört die Welt“ – dazu hätten die beiden noch eine klare Antwort gehabt. Da sich diese Frage in einer zunehmend globalisierten Welt (was für ein blöder Pleonasmus: als ob eine Welt, die nur aus einer Welt besteht nicht globalisiert sein könnte) nicht mehr stellt, ist das Thema: „Wie leben wir auf dieser Welt zusammen?“.

Mehr als Charlie
Dem Sturm auf die Redaktion folgte ein Sturm des Entsetzens folgte ein Sturm der Empörung. Und da keiner wusste, wie er seiner Wut und Verzweiflung Ausdruck verleihen könnte, waren plötzlich alle Charlie. Gäbe es bei Facebook einen Dislike-Button, ich bin mir sicher, viele hätten es gereicht, diesen zu drücken, um ihrem Unbehagen Ausdruck zu verleihen.

Open Source Dschihad
Immerhin zwingen einen die aktuellen Ereignisse geradezu, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man gerne verdrängt und weit von sich schiebt: Was ist eigentlich der Islam, diese zweitgrößte – und vergleichsweise junge – Religion der Welt, wo ist der Unterschied zwischen Islam und Islamismus, zwischen al-Quaida und ISIS (nein, nicht die ägyptische Göttin), was ist das Ziel des „heiligen Kriegs“ Dschihad?
Das perfideste Wort in der gesamten Berichterstattung ist der „Open Source Dschihad“, laut Tagesspiegelartikel definiert als „Dschihad der individuell geplanten Nadelstiche anstatt komplexer, lange und gemeinsam geplanter Attentate“. Der Begriff „Open Source“ steht für eine, durch das Internet ermöglichte Zusammenarbeit der Menschen zur gemeinsamen zur Lösung von Problemen. Es ist einerseits zynisch andererseits auch unausweichlich, dass sich das System auch darauf anwenden lässt, destruktive Ziele wie den „universellen Kampf gegen Andersgläubige“ zu lösen.

Je suis Conradin
Zurück zu den beiden Attentätern und was sie ausgelöst haben. Sie haben, wenn auch unbeabsichtigt, bei Millionen von Menschen das Bewusstsein geschärft, dass wir alle, wenn schon nicht Charlie (es wäre anmaßend zu behaupten, dass wir alle gut zeichnen und gut Witze erzählen können) so doch Menschen sind, egal woher wir kommen und woran wir glauben. Als in Deutschland lebender Schweizer Österreichischer Herkunft lässt mich das aufatmen.

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Eine Antwort auf „Je suis Conradin“

Mir ist bewusst geworden, dass wir, ob als säkularisierte Christen oder als Muslime, mit unseren Idealen und Werten sehr verletzlich sind. Wie viel Rücksicht sollen wir nun gegenseitig auf diese Verletzlichkeit nehmen? Das ist für mich die Frage. Und damit fühle ich mich weder als Charlie noch als Muslimin.

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