Ich besuche heute das Grab von Wilhelm, der sich 2009 das Leben genommen hat. Er war Personalchef einer Werbeagentur mit fast 100 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Oft hat er bis tief in die Nacht im Büro gesessen, weil er den Anspruch hatte, auch dem ungeeignetsten Bewerber noch eine persönliche Begründung für seine Ablehnung zu schreiben und weil er mit hunderten von Menschen den Kontakt gehalten hat – ganz ohne Facebook, Xing und Linkedin. Ich frage mich, wie sich seine Arbeit und sein Leben verändert hätte durch die neuen Medien. Wäre er vollends untergegangen in den neuen Kommunikationsmöglichkeiten oder hätten sie ihm geholfen, seine fast rein auf Kontakten beruhende Arbeit besser zu managen?
Auch bei meinem Vater, Pfarrer und 1994 gestorben, stelle ich mir diese Frage: Wie wäre er mit den neuen Kommunikationsmitteln umgegangen? Er hat im Spital die kranken Gemeindemitglieder besucht. Würde er heute „Gute Besserung“ sms-eln? Oder wären alle Mitglieder der „Jungen Kirche“ seine Facebook-Freunde? – Nichts von alledem. Er hätte sich, auch wenn er 2035 hundertjährig gestorben wäre, dem allem verweigert, währenddem vermutlich seine jüngeren KollegInnen um ihr Leben twittern, um die Schäfchen bei der Herde zu halten.
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