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Facade Book

Jeder Mensch hat ein „offizielles“ und ein „wahres“ Leben. Das „Offizielle“ ist das, wie er sich gerne sähe und wonach er strebt, das „Wahre“ ist dann das, was dabei herauskommt – je nachdem schätzungsweise zwischen 10 und 70% von dem, was er sich wünscht.

Facebook ist ein ideales Tool, um das offizielle Leben eines Menschen sichtbar zu machen. Man postet die Dinge, die dem Leben entsprechen, das man gerne hätte. Man postet die Momente, in denen man so ist, wie man gesehen werden will. Posten gleich posen.

Ausflug der Familie auf den Spargelhof: Krach beim Frühstück, Krach bei der Hinfahrt, Krach beim Spargelschälen, Krach beim Geschirrspülen. Gepostet wird die glückliche Familie beim Abwiegen der Spargeln in der rustikalen Scheune.

Man stelle sich vor, alle würden plötzlich ihre dunklen Seiten und Gedanken posten. Das wär ja mal interessant; ihre Probleme mit dem Aufstehen, mit ihrem Gewicht, dem Alkohol der Beziehung und dem Sexualleben. Facebook würde von heute auf morgen zur größten Selbsthilfegruppe der Welt!

Aber auch wenn Facebook vorgibt, das „wahre Leben“ der Menschen abzubilden (immerhin ist der Content „authentisch“ weil von den Leuten selber generiert und eingestellt), zeigt es stumpf nur die eine Seite der Medallie – darum reich auch lediglich ein Like-Button.

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Das Los

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Und wieder einmal stehe ich vor einem „Los“ Knopf. Diesmal vor der Frage, ob ich meinen Blog mit Facebook verbinden soll. Wenn ich nun auf „Los“ drücke, wird, wenn alles klappt (woran ich naturgemäß zweifle), jeder Blogpost auch in Facebook gepostet, ist dann also ein Facepost.

Ist das dann die Neugeburt meines Blogs (weil Menschen von Facebook auf ihn geleitet werden) oder ist es dessen Ende (denn warum soll noch jemand auf den Blog gehen, wenn sowieso alles auf Facebook steht)?. Kanibalisierung nennt sich das in der Wirtschaft, wenn der neue Schokoriegel die Verkaufszahlen des existierenden Schokoriegels auffrisst.

Und wie verändert sich durch das „Los“ mein Facebook Account? Wird er dann nicht einfach zu meinem Blog, nur dass eben Facebook drüber steht und nicht WordPress? Wenn ich sicher wär, wie ich das ganze ent-los-en kann, würd‘ ich’s glatt ausprobieren.

Und wenn ich schon dabei bin, die Plattformen zu verbinden: Wo ist der „alles überall teilen“ Knopf? Vielleicht will ja einer meiner (zwei) Leser meine Texte lieber zerhackstückelt bei Twitter, als Foto bei Pinterest oder als Powerpoint-Präsentation bei Slideshare lesen. Und bestimmt gibt es auch einen Automatisch-Vorlese-Service, der aus dem Geschriebenen automatisch einen Podcast macht – vielleicht kann ich ja sogar einen digitalen Vorleser mit leicht Schweizerischem Akzent wählen.

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Die Entdeckung der Sonstigen

Die Entdeckung der Sonstigen

Und plötzlich entdeckst Du einen Knopf, den Du noch nie gesehen hast. Auf dem Knopf steht „Sonstiges“ und dahinter verbergen sich Nachrichten, persönliche Nachrichten, Einladungen. Über Jahre schon waren sie da, doch Du hast sie nicht entdeckt, weil Dir der Button „Sonstiges“ neben all den anderen Buttons noch nie aufgefallen ist. Und Du fragst Dich, ob Dein Leben einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn Du den Knopf früher entdeckt hättest. Wenn Du auf das süße „Danke für den schönen Abend“ vor 2 Jahren reagiert hättest. Und plötzlich wird Dir auch klar, warum sich Dein Freund nicht mehr gemeldet hat, dessen Einladung zum 40. Geburstag Du im Juni 2010 ignoriert hast (ignorare = nicht wissen) und die Du heute unter „Sonstiges“ entdeckst.

Zum einen ist der Sonstige-Knopf faszinierend. Wie die geheime Tür zu einer Welt, die immer da war und die Du erst jetzt entdeckst. Zum anderen macht er die Tür auf zu einem erschreckenden Kapitel, unsere Bevormundung durch die Technik. Wie zum Teufel will facebook entscheiden, was für mich Wichtiges ist und was Sonstiges? Und warum will mir Google erklären „diese Nachricht ist besonders wichtig weil Sie auf Nachrichten, die von einem der Absender dieser Nachricht kommt in der Regel total schnell reagieren und auf Nachrichten in denen die Worte“und“, „oder“ oder „aber“ besonders häufig vorkommen auch“

Ich möchte immer noch selber entscheiden. Auch über Sonstiges.

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Das Wenn der Verstorbenen

Ich besuche heute das Grab von Wilhelm, der sich 2009 das Leben genommen hat. Er war Personalchef einer Werbeagentur mit fast 100 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Oft hat er bis tief in die Nacht im Büro gesessen, weil er den Anspruch hatte, auch dem ungeeignetsten Bewerber noch eine persönliche Begründung für seine Ablehnung zu schreiben und weil er mit hunderten von Menschen den Kontakt gehalten hat – ganz ohne Facebook, Xing und Linkedin. Ich frage mich, wie sich seine Arbeit und sein Leben verändert hätte durch die neuen Medien. Wäre er vollends untergegangen in den neuen Kommunikationsmöglichkeiten oder hätten sie ihm geholfen, seine fast rein auf Kontakten beruhende Arbeit besser zu managen?

Auch bei meinem Vater, Pfarrer und 1994 gestorben, stelle ich mir diese Frage: Wie wäre er mit den neuen Kommunikationsmitteln umgegangen? Er hat im Spital die kranken Gemeindemitglieder besucht. Würde er heute „Gute Besserung“ sms-eln? Oder wären alle Mitglieder der „Jungen Kirche“ seine Facebook-Freunde? – Nichts von alledem. Er hätte sich, auch wenn er 2035 hundertjährig gestorben wäre, dem allem verweigert, währenddem vermutlich seine jüngeren KollegInnen um ihr Leben twittern, um die Schäfchen bei der Herde zu halten.

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Die Birne ist der neue Apfel

Tublr ist das neue Facebook, sagt die Zeitung. Junge Menschen nutzen Facebook weniger seitdem die „Alten“ – also die digitalen Immigranten, die Mammas und Papas – Facebook erobert haben (und gerade freudig dachten, so den verlorenen Anschluss an die junge Welt wiedergefunden zu haben).

Ich beobachte ein Medienkarroussel; wie schon oben beschrieben, ersetzt Facebook für viele die SMS, Tumblr ersetzt also angeblich Facebook und demnächst teilen wir Fotos über Skype, finden unsere Freunde bei Pinterest, telefonieren über Xing und wenn Sie Kontakt mit mir aufnehmen wollen, so tun Sie das am besten gleich hier über den Blog.

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Datennazis und Kollaborateure

es ist ein schmaler Grat zwischen der absoluten Collaboration (gesprochen: collaboreischän) und der absoluten Kontrolle.

Die Begriffe Kollaboration und Kontrolle scheinen aus zwei verschiedenen Welten zu kommen. In einer Welt, in der wir all unsere Aktivitäten absolut transparent und „gläsern“ offenlegen, kann es keine „Kontrolle“ geben, wie man aus einem Gefängnis nicht ausbrechen kann, das keine Wände hat.

Ist die Privatsphäre tot? Hat sich der Mensch durch die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation tatsächlich so radikal verändert? Oder war’s anders rum und der Mensch hat sich so verändert, dass er nun diese neuen, transparenten Medien braucht – und wenn ja, warum und warum gerade jetzt?

Allein der neue Begriff „Datennazi“ lässt erahnen, dass es die Kontrollöre unter den Kollaboratören immer noch gibt.

Für alle sichtbare Kommunikation (mails auf oder für alle sichtbare private Nachrichten auf Facebook, Foursquare etc.) ist wie Grossraum-Kacken in Indien – wenigstens eine Sache, die wir noch lieber privat tun.

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Stell Dir vor, es ist Facebook und keiner geht hin

Der finanzielle Wert von Facebook hat sich in den letzten Tagen drastisch reduziert. Ist der einzige Grund, dass sich damit nicht genügend Werbeeinnahmen generieren lassen (und ja, Werbung ist immer noch das Alte „ich hält dir mal ne Info vor die Nase“) oder ist es Ausdruck einer allmählichen Facebookmüdigkeit? Stell Dir vor, Du berichtest über Deine Erlebnisse, machst tolle Fotos und reißt tolle Witze, und keiner hört Dir zu. Es würde Dir so gehen wie mir mit diesem Blog (Bücher sind erst Bücher, wenn sie gelesen werden)