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unerhört

Der Junge Mann
ich schwärme gerade davon, dass ich die Whats-App Gruppen-Chat Funktion entdeckt habe und diese ein ganz neues Familien-Zusammengehörigkeitsgefühl ermöglicht: Live-Berichterstattung von der Velotour, vom Frühstücks-Stüllchen über das Pilze-Suchen und das Baden im kalten See bis zu Rehrücken am Abend. Die Familie ist quasi dabei auch wenn sie über die ganze Republik oder sogar über die ganze Welt verteilt ist.
Der junge Mann belehrt mich darüber, dass die Whats-App-App sich über die Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nur das Recht zur Verbreitung der Fotos und Texte sichert (wie die Presse die Empörung glaubwürdig dämpft, braucht sie dieses ja auch, um die Fotos und Texte an die Empfänger versenden zu können) sondern auch das Recht, Ton- und Bild-Aufnahmen über Dein Smartphone machen zu dürfen. Natürlich kann man auch hier argumentieren, dass diese Funktion nötig ist, damit Whats-App Deinen gemurmelten Kommentar zum Frühstücks-Ei aufnehmen und an die Freunde versenden kann, aber was, wenn Whats-App beginnen sollte eigenwillig Ton- und Bild-Materialien aufzunehmen? Damit läge der Feind, der alles mithört mitten auf Deinem Küchentisch – der Traum jedes Stasi-Mitarbeiters – die absolute Überwachung in bester Tonqualität und das ganz ohne aufwändige Verwanzung von Wohnungen.

Der alte Mann
selbentags unterhalte ich mich mit einem etwas älterer Mann über die Entwicklung von Europa. Er ist Schweizer und überzeugt, dass der Euro ganz Europa in den Abgrund reissen wird, weil die (Erfolg-)Reichen Staaten für den Bankrott der Bündnispartner bezahlen müssen und selbst daran zugrunde gehen werden. Zudem denkt er, dass „in 50 Jahren auf unseren Plätzen wieder öffentliche Hinrichtungen stattfinden“, weil Europa muslimisch dominiert sein wird, wie das schon in der Vergangenheit der Fall war.

Traum und Albtraum
Die beiden Gespräche haben nichts miteinander zu tun und doch ergeben sie, wenn man deren Inhalte miteinander verknüpft ein gespenstisches Szenario: Wir Europäer lernen gerade von den Amerikanern das „Prinzip Offenheit“ zu leben, akzeptieren jede AGB von Facebook bis Whats-App ohne hinzukucken, geben diesen Diensten die Berechtigung unseren Standort, unsere Bilder und Töne zu benutzen – und dann kommt die IS-Herrschaft, eine immer größer werdende Truppe von Menschen mit einer militant mittelalterlichen Weltanschauung, die zur Verbreitung derselben modernste Technik verwendet. Lass den „Islamischen Staat“ die Herrschaft über Facebook und Whats-App bekommen und das Horrorszenario ist perfekt.

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Ent-Scheidung

Ein Traum. Aufgrund der Überbevölkerung oder vielleicht mit der Absicht die Gesellschaft (z.B. in arm und reich, intellektuell und arbeitend) zu trennen, wird die Welt in verschiedene digitale Ebenen eingeteilt, die parallel stattfinden, auf derselben Welt, sich aber nicht treffen.
Durch einen Systemfehler kommt es aber zu einer Kollision der beiden Welten, was einen Massenunfall und eine kollabierte Autobahnbrücken zur Folge hat.
Ich geh durch die zerstörte Landschaft und staune, weil ich zum ersten mal sehe, wie dieselbe Welt von den Bewohnern der andren Layer benutzt wird. Ich seh überall verletzte Menschen des anderen Layers rumliegen, die Hilfe benötigen. Es sind aber ganz andere Menschen, eher wie Robotter (ich erkenne Eva aus Wall-E), und ich weiss nicht, welche Art von Hilfe sie benötigen, Blut fliesst offensichtlich nicht in ihnen. Ich frage einen Jungen Mann, der verletzt ist und am Boden liegt, was er denn brauche. Er haucht mir drei Dinge ins Ohr: Wasser, Salz und noch etwas – ich eile los und schreib mir die Dinge in mein iPhone aus Angst, sie in der Aufregung zu vergessen. Ich komme zu einem Shopping-Center, immer noch im anderen Layer, es sieht gigantisch aus – ich mach trotz der Aufregung ein Foto und denke, das muss ich den Leuten in meinem Layer senden und frage mich, ob wohl facebook noch funktioniert, wenn die Ebenen kollabiert sind.
Im Supermarkt weiss man von der Katastrophe (noch) nichts – die sich offensichtlich nur lokal bei dieser Autobahnbrücke abgespielt hat und man versteht auch meine Aufregung nichts. Ich will wohl aus dem Supermarkt fliehen (vielleicht, weil ich die Dinge im anderen Layer sowieso nicht bezahlen hätte können – wie auch), ein Polizist am Hinterausgang will mich daran hindern. Da seh ich, wie hinter ihm eine ganze Reihe von futuristischen Fahrzeugen angerast kommen, die selbst ihn in Erstaunen versetzen; offensichtlich kommen sie auch nicht aus seinem Layer. Der Gedanke liegt also nah, dass die Welt nicht nur in zwei, sondern in drei oder in unendlich viele parallele Ebenen aufgeteilt wurde – prallen sie aus einem technischen Defekt alle aufeinander ist die Katastrophe perfekt.

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Herrmann

Herrmann ist 79. Er kommt aus Basel. Er war dort Lehrer an der Rudolf Steiner Schule. Er hat seine Arbeit sicherlich sehr gewissenhaft gemacht, vielleicht vierzig Jahre lang. Und jetzt das. Kaum ist Herrmann raus aus dem Berufsleben, schwappt diese Welle über die Jugend herein, die er zeitlebens versucht hat zu guten Menschen zu erziehen. Von Spielzeug mit Batterien, Robottern mit blinkenden Augen und sprechenden Barbie-Puppen hat er sie erfolgreich ferngehalten, zugunsten von Bauklötzen aus lokalem Eichenholz, Neocolor und umweltschonend gebleichtem Papier. Und nun sieht er sie aus den Schulen strömen, in der Tram sitzen, von der Welt abgeschieden mit bunten Kopfhörern, in ihre Geräte starrend. Herrmann will etwas dagegen tun. Er zieht sich zurück. Wir treffen Ihn in einer Dachkammer eines Hauses eines namenlosen Dorfes in Brandenburg. Dort denkt er darüber nach, wie er die Welt retten kann, vor einem Phänomen, das er selber nie kennengelernt hat.

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auto-nomous

auto-nomous

Es sieht aus, wie die Kinderzeichnung eines Autos (und es gibt im ganzen Internet nur diese beiden Fotos davon). Warum eigentlich? Soll damit verniedlicht werden, was für eine unheimliche (Fort-)Entwicklung der „Autonomous Car“, das selbstfahrende Automobil, bedeutet? Unheimlich darum, weil mit diesem Auto-mobil (das eigentlich erst jetzt den Begriff auto-mobil d.h. selbständiges Mobil verdient) ein Jahrhundert zu Ende geht, bei dem wir dachten, dass wir, die Menschen das Steuer in der Hand haben, die Dinge lenken und abgelöst wird durch eine neue Zeit, in der die Maschinen die Welt lenken. Ich muss nur noch einsteigen und der Knutschkugel sagen, wo sie mich hinbringen muss. Sie wird es tun und zwar auf dem schnellsten Weg, Staus vermeidend und wenn ich will noch eine Sehenswürdigkeit auf dem Weg einbauend. Das Auto wird das Auto, was um die nächste Hausecke biegen wird, erkennen, bevor ich es als Mensch sehen kann und die Parklücke ansteuern, bevor diese frei wird. Dieses knuddelige Ding sagt uns nichts anderes als: Mensch, Du bist (ab sofort) überflüssig. Lehn Dich zurück, genieß die Fahrt, lies was und denk nicht weiter darüber nach.

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Zwei Leben

Mozart war in meinem Alter schon 8 Jahre tot, Alexander der Große sogar 11 Jahre, mein eigener Urgroßvater starb 1918 knapp dreissigjährig an der spanischen Grippe. Stirbt heute jemand mit dreissig Jahren, spricht man davon, dass er „früh aus dem Leben gerissen wurde“ und wir sind fassungslos. Dabei ist eigentlich unfassbar, wie lange wir heute leben. Noch habe ich kein Buch geschrieben, keine Firma gegründet, keine Million verdient und keine Familie gegründet, heisst, wäre ich mit 30 gestorben, ich hätte nichts geschaffen, ja ich hätte gerade einmal einen ersten, festen Job ergriffen gehabt. Verlangsamt die Aussicht auf ein langes Leben künstlich unsere Biographie? Wenn ich auf meine Jugend in der Schweiz der 80er Jahre zurückblicke, denke ich, ja, wir haben als 20-jährige nicht annähernd das bewegt, was man in dem Alter bewegen kann. Ich ahne, dass das auch mit einem falsch verstandenen „Respekt gegenüber dem Alter“ zu tun hatte – Professor ist man eben mit 50 und nicht mit 30. Schaue ich heute auf die Gründer-Generation, zeigt sich mir ein ganz anderes Bild: Die jungen Menschen „geben Vollgas“ wie sie das selber nennen, haben keine Schranken im Kopf, aquirieren Mitte 20 Millionen für ihre Unternehmen und sind selber mit Mitte 30 Investoren. Die Amadeusse und Alexanders sind also wieder zurück, nur dass sie eben nach 30 noch ein zweites – und vielleicht sogar noch ein drittes Leben vor sich haben.

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Das Schloss

Das Schloss

Der Hauptsitz des Porzellanherstellers Villeroy&Boch in Mettlach. Hier wird noch Hardware hergestellt. Und zwar seit 1748.

Foto: Jörn Hendrik Ast, Berlin

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Zeit Flash

Opi erzählt: Manchmal ging in der Schulklasse ein Zettel rum: Schaut alle auf die Brosche der Lehrerin. Dann haben alle Schulkinder auf die Brosche der Lehrerin gestarrt bis diese erst irritiert war und zuletzt keinen graden Satz mehr rausbrachte. Ein Flashmob in den 30er Jahren, ganz ohne Internet und folglich nur zum (Miss)vergnügen der Anwesenden.

Auch die Diner en Blanc ist ein Flashmob, eine Veranstaltung, bei der sich tausende von Menschen, die sich nicht kennen, dazu verabreden, weiss gekleidet an weiss dekorierten Tischen aus weissem Porzellangeschirr zu essen. Der Ort der Veranstaltung wird kurzfristig über die sozialen Netzwerke preisgegeben. Doch wer glaubt, die Dinner en Blanc sei ein Kind der Facebook-Zeit, der irrt: Auch dieser Flashmob wurde schon 1988 in Paris ins Leben gerufen. Ohne Internet, dafür mit Eifelturm.

Diner en blancDiner en blanc, Berlin, 14. Juni 2014

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Polen ist offen

„Visit Poland. Your car is already there.“ Ein Sprichwort aus den Neunziger Jahren, in denen zumindest in Berlin immer wieder von Bestell-Diebstählen (Bringen sie mir doch bitte einen 7er BMW Jahrgang 1995 in Blau mit hellen Ledersitzen) und Teile-Diebstählen (ein LKW gefüllt mit hunderten von Airbags wird in Frankfurt/Oder angehalten) zu hören war.

Wer hätte gedacht, dass die Menschen eines Tages freiwillig ihre Autos nach Polen bringen. Diesmal, um sie dort reparieren zu lassen. Zurück zu dem 7er BMW Jahrgang 1995. Seine Zeit ist um, seine Zipperlein sind bekannt. Kaum einer kann es sich leisten, das Dichtungsringlein zu ersetzen, das den gesamten rollenden Luxus zum Stillstand bring. Das Ringlein kostet 30 Cent, es an der richtigen Stelle einzubauen allerdings gegen 10’000€.

Die wenigen Autobesitzer, die den Wahnsinn darin erkennen, ein 100’000€ Gerät wegen einer 20Cent-Dichtung wegzuschmeissen, werden sich ans Internet wenden und fündig werden: In Polen gibt es Garagen, die solche Reparaturen sachgerecht vornehmen, zu einem Bruchteil der Kosten. So kommt es, dass Luxuslimousinen mit Frankfurter- oder Zürcher Kennzeichen wie UFOs auf holprigen Straßen durch die Polnishen Wälder und Kleinstädte rollen – einem zweiten Leben entgegen.

ps: Was das Dichtungsringlein betrifft, empfiehlt sich die Lektüre des Buches „Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten“. Hier wird eine Situation beschrieben, in der der Fahrer eines BMW Motorrades sich weigert, sein Motorrad mit einem Alu-Scheibchen zu reparieren, das aus eine Bierdose herausgeschnitten wird, und lieber die Reise abbricht und einige Wochen auf das Original-Scheibchen aus München wartet, obwohl das Bier-Blechlein faktisch exakt dieselbe Funktion erfüllen würde.

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Sonn-Tag

Scheinbar dienen die ganzen (informations)technischen Entwicklungen unserer Zeit der Effizienz: Wie komm ich schneller von A nach B (moovel), wei kann ich Termine einfacher koordinieren (Doodle), wie kann ich Daten leichter versenden (wetransfer) etc.

Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Entwicklungen, die einfach nur Spaß machen sollen. Im digitalen Bereich ist die iBeer App sicherlich ein Klassiker der sinnlosen Applikationen:

iBeer

 

In den letzten Tagen, in denen die Hitze in Berlin nicht nachlassen will, habe ich auch endlich die sommerlich sinnfeie Zusatzanzeige in den Mini-Cabrios verstanden:
MiniOpen

Sie tut nichts anderes, als die Stunden zu zählen, die man das Verdeck (am Stück) offen hatte. Wir haben an einem Tag 6 Stunden (innerer Kreis) und 46 Minuten (äußerer Kreis) geschafft. Der Rekord liegt angeblich bei 555 Stunden und wurde im Rahmen der „Mini – always open“ Kampagne erreicht. Selten, aber umso erheiternder, wenn sich so ein Gag auch in der Hardware eines Produktes wiederfindet.

Vergleichbar ist die Sonn-Tags-Anzeige vielleicht mit der Blumenvase im VW New Beetle, die es offensichtlich schon im original Volkswagen von 1934 gab.
New Beetle

Old BeetleSo viel Humor hät‘ ich den Nazis gar nicht zugetraut.

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(nicht) vorhanden

Frag ich den Programmierer: „Ist eigentlich Deine neue Seite schon online?“
Er Antwortet: „Ja, aber es ist wie mit allem im Internet. Wenn keiner weiss, dass sie da ist, existiert sie nicht“.